Die Deportierten
Tagesablauf und Lagerleben
Im Lager herrschte ein strenger Tagesablauf. Die Aufseherinnen nutzten jede Gelegenheit, um die Häftlinge von morgens bis abends zu quälen.
„Morgens um 4.30 Uhr ertönte die Pfeife, wir mussten aufstehen, die Aufseherin öffnete den Block, machte das Licht an, wir gingen in den Waschraum, zogen uns an, machten Ordnung im Block, erhielten den "Kaffee", dann ertönte die zweite Pfeife, und wir traten zum Arbeitsappell an. Wir mussten uns zu fünft anstellen, jedes Kommando war gesondert und hatte seinen Platz. Der Appell dauerte bis zu 45 Minuten. Wir marschierten dann zur Arbeit durch ein leeres Gebiet, was ca. 15 Minuten dauerte, um 6 Uhr fing die Arbeit an, wir arbeiteten bis 12 Uhr. Für das Essen hatten wir weniger als 15 Minuten, wir bekamen ½ Liter Suppe aus Rübenblättern oder Kohlrüben, alles ohne Fett, und oft ungesalzen. Anfangs schwammen in der Suppe ein paar Kartoffelstückchen, später gab es überhaupt keine Kartoffeln mehr.“
Danuta Hilkner, Lundprotokoll-Nr.: 53 vom 13.12.1945
Nach der kräftezehrenden Arbeit in der Munitionsfabrik kehrten die Häftlinge erschöpft zurück.
Zunächst nahmen die Häftlinge das Mittag- und Abendessen in der Fabrik ein. Erst als Ende Juli 1944 die Küchenbaracke im Lager fertig war, wurde das Abendessen im Lager ausgegeben. Einen Speisesaal gab es für die Häftlinge nicht, nur eine Küchenausgabe. Sie nahmen ihr Essen auf den Knien auf der Bettkante sitzend ein, denn außer Betten gab es kein Möbelstück in den Schlafräumen, oder vor der Küchenausgabe ein.
Bild 1: Rückweg von der Munitionsfabrik ins Lager / Screenshot einer Filmaufnahme von H. Förster 1943-45
„Am schlimmsten war es abends, wenn wir aus der Fabrik kamen, als sie die Frauen für den sogenannten Himmeltransport auswählten. Dann prüften sie an dem Tor mit der Taschenlampe, welche schon so geschwächt waren, und sie wurden fürs Krematorium aussortiert.“
Dana Valic, Interview vom 25.08.2001 in Ljubljana mit Loretta Walz
Nach der Kontrolle mussten sie erneut zum Zählappell antreten. Erst danach konnten die Häftlinge in ihre Baracken gehen und sich auf die Nacht vorbereiten.
„Abends, wenn sie uns in die Zimmer trieben, musste man oben auf das Bett diese Lagerkleidung legen. Dann kam die Aufseherin herein, und wenn die Lagerkleidung nur ein wenig verrückt war oder wenn ein Stück vom Hemd nur ein bisschen über den Rand schaute oder aber auch, wenn nicht, hat sie mit der Peitsche die Kleidung herunter geworfen, und man musste aufstehen und noch einmal die Kleidung zusammensetzen. Jedenfalls noch vor dem Schlafengehen wurden wir sehr oft gequält. Wir waren eingesperrt mit Brettern, die Fenster waren mit Läden verschlossen, und ich erinnere mich daran, wenn sie morgens diese Rampe von den Fensterläden wegzogen und die Fenster auf gingen, dass ein Dampf heraus quoll von unseren Körpern, daran erinnere ich mich so sehr. Und dann das Erste war, schnell die Decke zu entfernen, dass man die noch schlafenden Flöhe fangen konnte und die schlafenden..., das schlafende Ungeziefer, das auf einem war. Dann kam die Aufseherin mit einem Hund und hat einen geschubst. Sofort anziehen und raus, und das war auch die beste Gelegenheit, Schläge zu bekommen.“
Dana Valic, Interview vom 25.08.2001 in Ljubljana mit Loretta Walz
Es gab etwa 30 Häftlinge, die nicht in der Munitionsfabrik arbeiteten. Teils waren sie zu schwach für die Arbeit in der Munitionsfabrik oder sie verweigerten die Arbeit in der Munitionsfabrik. Sie wurden dann z. B. für Arbeiten in der Kammer des Lagers eingeteilt und gaben Putzutensilien und Kohlen heraus. Oder sie mussten in der Küche Gemüse putzen, Kessel auswaschen und Fußböden reinigen.
„Es versteht sich, dass wir nicht für ‚Groß-Deutschland‘ zu arbeiten begannen. Wir gingen hinter das Lagerterritorium und gruben dort große, breite Gruben - Gräber für die Gefangenen. Wir gruben und dachten: Welche von ihnen wird die unsere werden?“
Jekaterina Iwanowna Olowjannikowa, Ravensbrück-Archiv, Band 33, Bericht 599-2
Den Frauen war der Kontakt mit Häftlingen aus anderen Baracken nicht gestattet. Nur innerhalb der Baracke durften sie sich mit ihren Mithäftlingen unterhalten. Problematisch war jedoch die Verständigung, da die Frauen aus unterschiedlichen Ländern kamen. Trotzdem fanden sie eine Form der Kommunikation und verständigten sich teilweise mit Händen und Füßen.
Die wenige Freizeit, die den Frauen nach Bestrafungen noch blieb, nutzen sie in ihren Blöcken, um sich so vom grausamen Alltag abzulenken. Manche Frauen trugen Gedichte vor, oder sie sangen gemeinsam Lieder. Es hat auch kleine Theateraufführungen gegeben. Einmal wurden einige bei der Aufführung von einer Aufseherin entdeckt, aber ihr gefiel es und so durften sie weiterspielen.
„Ja, auch, es gab Gedichte, aber sie sind nicht aufbewahrt worden. Dann erinnerten wir uns an bestimmte Passagen aus den Werken von Cankar und führten sie auf. Auch die Kleidung drehten wir irgendwie so um, dass wir Kostüme hatten. Und wir machten auch das Bühnenbild, ein kleines Bühnenbild. Dann hatten wir auch ein Trio, ein Gesangstrio, dass wir sangen. Das war machbar am Sonntag im Zimmer, weil man uns in Ruhe ließ; außer dann, wenn wir Strafe stehen mussten. Aber sonst gab es zwischen uns eine außerordentliche Freundschaft und Aufmunterung.“
Dana Valic, Interview vom 25.08.2001 in Ljubljana mit Loretta Walz
„Manchmal organisierten wir heimlich am Samstagabend eine kleine Feier und wurden einmal entdeckt, aber der Aufseherin gefiel es so sehr, dass sie noch andere holte, seitdem durften wir jeden Sonntag ein kleines Spiel aufführen. Die Aufseherinnen spionierten leidenschaftlich gern, danach folgten gewöhnlich Strafen.“
Danuta Hilkner, Lundprotokoll-Nr.: 53 vom 13.12.1945
Größere Feiertage versuchten sie gemeinsam festlich zu gestalten. Alle diese Aktionen trugen zum Zusammenleben der Häftlinge bei und ließen den grausamen Alltag ein wenig erträglicher werden. Und es entstanden auch Freundschaften.
Verpflegung
Die Häftlinge bezeichneten die Verpflegung im Lager als sehr schlecht und nicht ausreichend. Sie litten ständig unter Hunger. Die Versorgungssituation verschlechterte sich in den letzten drei Monaten drastisch.
Morgens gab es ein Kaffeegetränk, welches von den Häftlingen als braune Brühe bezeichnet wurde, dazu 100 g Brot. Mittags erhielten die Frauen in der Fabrik eine Gemüsesuppe. Das Abendessen bestand anfangs aus 200 bis 300 Gramm Brot, später 150 Gramm und dann gab es nur noch 100 Gramm. Dazu erhielten sie Margarine und eine Mehlsuppe, die fast immer kalt war. Drei Mal in der Woche gab es einen Löffel Marmelade, und an den Wochenenden erhielten sie ab und zu extra 10 Gramm Wurst, Kunsthonig, Quark oder 30 Gramm Margarine. Im Juli 1944 soll es für Häftlinge, die besonders schwer arbeiten mussten, eine Zusatzration gegeben haben, bestehend aus 50 Gramm Brot, 30 Gramm Margarine und 50 Gramm Wurst. Diese Zusatzration wurde jedoch in den letzten drei Monaten gekürzt und war nur noch für die Nachtschicht vorgesehen.
Über längere Zeit wurde das Essen ohne Salz zubereitet. Das hatte zur Folge, dass sich bei den Häftlingen eine Mangelkrankheit einstellte, die als „Zinga“ bezeichnet wurde.
„Lange Zeit gab es kein Salz im Lager, ganz gewöhnliches Kochsalz. Wir aßen eine widerliche, ungesalzene Brühe aus Steckrüben und Runkelrüben. Mit jedem Tag fühlten wir heftigeres, schärferes Schneiden im Zahnfleisch. Bei Vielen begann Zinga. Und da hatte ein junges, 19-jähriges Mädchen - ihren Namen weiß ich nicht, - sie arbeitete in der Küche - es fertiggebracht, ein Häufchen Salz für ihre erkrankte Freundin herauszubringen. Als sie das Päckchen Salz im Block übergab, bemerkte Pashka, die Lagerhenkerin, sie und meldete es den Aufseherinnen. Man führte das Mädchen in die Kommandantur.
Nach einer Stunde ertönte das durchdringende Heulen der Sirene - eiliger Appell. Die Gefangenen traten verständnislos aus den Blocks. Wir standen in der Mitte der Kolonnen und sahen auf dem rechten Flügel unser Mädel, begleitet von zwei SS-Männern. Hinter ihnen schritt der Haufen der Aufseherinnen und Wachen. Auf der Brust des Mädchens hing ein Schild aus Furnierholz mit irgendeiner Aufschrift. Sie trat an den ersten Block heran, stellte sich auf einen Hocker, den die SS-Leute vor sie hingestellt hatten und sagte irgendwas vor dem Glied. Ein SS-Mann stieß sie mit dem Gewehrkolben - das Mädchen sprang schwer auf die Erde und weiter, zum nächsten Block. Dort kletterte sie wieder auf den Hocker und sagte wieder etwas. Die SS-Frauen und Aufseherinnen kugelten sich vor Lachen, als sie sie hörten. Die Gefangenen in den Gliedern schwiegen erregt. Was haben sich diese Henker mal wieder ausgedacht, welche neue Verhöhnung wollen sie für diesmal anstellen?
Das Mädchen kam näher. Schon konnte man die Aufschrift auf dem Stück Furnier, das ihr auf der Brust hing, entziffern. Dort war auf Deutsch und auf Russisch geschrieben: ‚Ich bin eine Diebin, ich habe Brot gestohlen.‘
Das Mädchen sollte alle Blocks abgehen, sollte sich auf den Hocker stellen, damit man sie besser sähe und sollte jedes Mal laut diese Worte wiederholen. Da ist sie schon beim Nachbarblock. Ihr Gesicht ist weißer als Kreide - in ihm ist kein Blutstropfen mehr. Die Augen irren umher. Sie weiß vor Scham nicht, wo sie hinsehen soll. Schwer und ungeschickt klettert sie auf den Hocker und sagt:
- ‚Ich bin eine Diebin. Ich habe Brot und Salz gestohlen.‘
- ‚Lauter!‘ - schreit die ‚Schaukel‘ – ‚Ich höre nicht!‘
- ‚Man muss ihr wohl die Kehle säubern‘ - greift eine andere Aufseherin ein.
Die Deutschen lachen. Sie sind zufrieden. Sie haben heute einen gelungenen Tag: Sie haben jemanden gefunden, den sie verhöhnen können.
Mit Mühe schluckt das Mädchen den Klumpen, der ihr in der Kehle steckt: ‚Ich bin eine Diebin. Ich habe Brot und Salz gestohlen ... für die Freundin‘, fügt sie leiser hinzu.
So wiederholt sie schon das zehnte Mal ihr erniedrigendes Bekenntnis und entfernt sich zum linken Flügel. Die Schultern sinken immer mehr hinab, der Gang wird schwerer. Sie ist schon weit fortgegangen. Nur die Lachausbrüche werden bis zu uns getragen: Den Faschisten ist es lustig zu Mute. - Abends fand man in der nicht zu Ende gebauten Baracke der Lagerküche die Leiche: Das russische Mädchen hatte die Verhöhnungen, die die Henker an ihr verübt hatten, nicht ertragen. Sie hat selbst ihrem Leben ein Ende gemacht. Noch ein Leben wurde herausgerissen. So kam die Jugend in den faschistischen Folterkammern um.“
Jekaterina Iwanowna Olowjannikowa, Ravensbrück-Archiv, Band 33, Bericht 599-2
Bekleidung
Nicht nur die Verpflegung war mangelhaft, auch die Bekleidung der Frauen war unzureichend, um sie vor der Kälte zu schützen. Behielten die Häftlinge nachts ihre Kleidung an, weil sie froren, wurden sie bestraft. Die Frauen trugen ein Kleid aus blau-grau-gestreiftem Stoff, auf dem ein weißer Streifen mit der Häftlingsnummer aufgenäht war. Ein rotes Dreieck an der Brust kennzeichnete politische Häftlinge. Jeder Häftling erhielt ein Kleid, ein Hemd, Unterwäsche, ein Kopftuch und Holzpantinen.
Die häufigsten Häftlingszeichen waren:
zwei gelbe Dreiecke oder Winkel, aufeinander gesetzt, ergaben den Judenstern
ein roter Winkel auf einem gelben – ein Jude/Jüdin und gleichzeitig politischer Häftling
schwarzes Dreieck – „Asoziale“
braunes Dreieck – später zur Kennzeichnung von Sinti und Roma
grünes Dreieck – Kriminelle in kriminalpolizeilicher Vorbeugungshaft
lilafarbenes Dreieck – Bibelforscher wie Zeugen Jehovas und Mitglieder der Sieben-Tags-Adventisten
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kennzeichnung_der_H%C3%A4ftlinge_in_den_Konzentrationslagern (15.05.2022)
Briefkontakt
Einmal im Monat durften die Frauen Briefkontakt mit Angehörigen haben, aber alles wurde strengstens kontrolliert. Ihnen wurde auch gestattet, Pakete mit Lebensmitteln und Bekleidung zu empfangen.
Eine Deportierte aus Slowenien erzählte, sie habe einmal im Inneren eines Zigarettenpapiers einer Zigarette aus einem Paket aus der Heimat Zeilen ihrer Eltern gefunden. Die Frauen durften eigentlich nichts besitzen, aber sie wollte das kleine Schriftstück unbedingt bei sich behalten. So nähte sie es in den Kleidersaum ein, und die geliebte Heimat und die geliebten Eltern waren immer in ihrer Nähe. Als sie es vor zwei anderen Mithäftlingen 2019 erzählte, waren die anderen ganz überrascht. Sie erzählte es offenbar zum ersten Mal. So tief steckte die Angst…
Lagergeld
Lagergeld war in Grüneberg offenbar im Umlauf.
Einer dieser Lagergeld-Scheine im Wert von 1 Reichsmark konnte auf einer Internetplattform erworben werden. Versteigert wurde dort noch ein weiterer Grüneberger Schein im Wert von 2 Reichsmark. Der Schein hat eine Größe von 10,1 mal 6,6 Zentimeter. Die Rückseite ist mit dem Stempel der Polte-Werke versehen.
Wie das Geld in Grüneberg gehandhabt wurde, kann man nur vermuten. Wir konnten dazu keinen Zeitzeuginnenbericht finden. Zum Gebrauch des Lagergeldes im Allgemeinen sei auf den Artikel bei Wikipedia verwiesen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Lagergeld_(KZ) (05.06.2022)
Bild 2: Vorderseite des Lagergeldscheins / Eigenarchiv
Bild 3: Rückseite des Lagergeldscheins mit Betriebsstempel der
Polte-Werke / Eigenarchiv
Krankheiten
Wenn die Häftlinge ernsthaft erkrankten, wurden sie ins Krankenrevier gebracht. Wer krank war, darüber entschieden die Aufseherinnen und nicht der Arzt. Häftlinge kamen auf die Krankenstation, wenn das Fieber über 39 Grad angestiegen war. Einen SS-Arzt gab es in Grüneberg nicht. An einem berichteten Fall wird deutlich, dass offenbar der Arzt aus dem Lager Ravensbrück für das Lager in Grüneberg zuständig war. In Grüneberg gab es aus den Häftlingsreihen eine russische Ärztin im Krankenrevier, die die Häftlinge gut behandelte, und eine tschechische Ärztin.
„Es gab wohl medizinische Betreuung, die leitende Ärztin war eine Rotarmistin, aber über die Krankheit entschied nicht sie, sondern die Aufseherin, die die Kranke eingeliefert hatte. Im Krankenrevier durfte man bleiben, wenn man über 39 Grad Fieber hatte, fiel die Temperatur auf 38 Grad, mußte die Kranke in der Regel das Revier verlassen.“
Danuta Hilkner, Lundprotokoll-Nr.: 53 vom 13.12.1945
Die Furcht, dass sich Wachmannschaften oder gar die Zivilbevölkerung des Dorfes oder der Fabrik mit Fleckfieber infizieren könnte, war groß. Fleckfieber wird durch Kleiderläuse übertragen. Deshalb gab es auf dem Lagergelände eine Entwesungsbaracke. Man kann davon ausgehen, dass die Kleidung der Gefangenen regelmäßig desinfiziert wurde.
Bild 4: Auszug aus dem Lageplan mit Lage der Entwesungsbaracke / Quelle:Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Rep. 6C Ruppin Nr. 500/2
Im Juli 1944 kam es zu einer Lebensmittelvergiftung im Lager. Ursache waren entweder verdorbenes Fleisch oder oxidierte Kupferkessel. Innerhalb weniger Stunden erkrankten mehrere hundert Häftlingsfrauen. Sie litten an Magenkrämpfen, mussten sich übergeben und hatten Durchfall. Viele schafften es nicht mehr in ihren Block zurück und lagen bei brütender Mittagssonne auf dem Lagerhof. Es kam zu einer ruhrähnlichen Epidemie. Eine Häftlingspflegerin, Loni B., bat die Oberaufseherin Herzinger, einen Arzt zu rufen. Die ließ jedoch wertvolle Zeit verstreichen, bevor sie den Lagerarzt Dr. Trommer in Ravensbrück informierte. Er stellte eine Fleischvergiftung und Kreislaufschwäche fest. Die Häftlingspflegerin schlug vor, einen Block für die Kranken räumen zu lassen. Dort lagen dann die erkrankten Frauen eng beieinander und hatten starke Schmerzen, aber weitere Hilfe gab es von Dr. Trommer nicht.
Abends kam der Fabrikbesitzer ins Lager, weil viele Häftlinge nicht zur Arbeit erschienen waren. Die Häftlingspflegerin setzte ihn über die Erkrankung in Kenntnis und bat um Hilfe. Der Fabrikbesitzer schickte einen Zivilarzt ins Lager, der auch Medikamente aus der Fabrikapotheke mitbrachte. Loni B. verbrachte die ganze Nacht bei den Erkrankten und informierte den Arzt auch über die Zustände im Lager. Aus der Fabrikküche bekamen die kranken Häftlinge leichte Kost wie Milch und Weißbrot. Nur so konnten viele Menschen gerettet werden. Zwei Monate lang wurden drei Baracken als Krankenbaracken genutzt.
Dr. Trommer (Arzt in Ravensbrück) war nicht erbaut über die Eigenmächtigkeit des Kreisarztes, und es kam zu einer Auseinandersetzung. Nach diesem unerfreulichen Gespräch meldete der Kreisarzt diesen Vorfall nach Berlin. Möglicherweise erfolgte aufgrund dieser Meldung ein Wechsel in der Lagerleitung, und der Lagerleiter wurde versetzt.
Schwerkranke Häftlinge wurden nach Ravensbrück gebracht. Ravensbrücker Deportierte beobachteten, dass etwa 500 Frauen, die zu Skeletten abgemagert waren, aus Grüneberg in Ravensbrück ankamen. Dr. Trommer lehnte weiterhin die Behandlung in Ravensbrück ab, und diese Frauen verstarben schließlich an der Lebensmittelvergiftung.
Kranke Häftlingsfrauen beschreiben ihren Aufenthalt in der Krankenbaracke als eine kurze Unterbrechung von der harten Arbeit in der Fabrik. Dennoch hatten sie ständig Angst, dass sie für die Zwangsarbeit zu schwach seien und aussortiert und nach Ravensbrück zurück müssten, was den sicheren Tod bedeutete.
Wegführung
Zum Ende des Krieges bekamen die russischen Frauen Mut und sangen Lieder aus ihrer Heimat. Bei dem Lied „Vaterland, kein Mensch soll dich gefährden“ stürzten sich die Aufseherinnen auf die Häftlinge und verprügelten sie. Viele erhielten dafür noch Bunkerhaft.
„Die ‚Schaukel‘ schlug mit der Peitsche und trat mit Füßen: ‚Ruhe, Schwein, russisches, Partisan‘. Ich geriet ins Stocken, der Holzschuh flog vom Fuß, ein SS-Mann schlug mich ins Gesicht. Aus dem Mund floss Blut. Ich drehte mich um, und spuckte mit meiner ganzen Kraft in die verhasste faschistische Fresse. Für diese Kühnheit habe ich es gehörig bekommen. Und auch viele andere von uns erhielten eine Strafe, mussten im Bunker sitzen.“
Jekaterina Iwanowna Olowjannikowa, Ravensbrück-Archiv, Band 42, Bericht 1013
Im April 1945 ahnten die Häftlinge, dass das Kriegsende bevorstand, denn sie sahen einen hellen Feuerschein von den Kämpfen in der Nähe. Die Front rückte also näher. Unklar war, ob sie das Ende des Krieges erleben würden.
Im Lager wurde es noch einmal sehr gefährlich.
„Ludmilla Paavo berichtet, dass sie während ihrer letzten Schicht erfuhr, dass die SS den Befehl bekommen hatte, alle Häftlinge der Nachtschicht zu erschießen. Obwohl dies nicht umgesetzt wurde, mussten die Häftlinge in permanenter Angst davor leben. Als sie von der letzten Nachtschicht gebracht wurden, ein Teil der Häftlinge wurde bereits evakuiert, erklärte eine Aufseherin, dass sie das gleiche Schicksal wie die Juden erwarte.“
Ludmilla Paavo, Schriftliche Aussage, Privatbesitz Susanne Neumayer, Magisterarbeit Seite 102
„Am letzten Tag, als man uns in eine Kolonne stellte, um uns wieder nach Ravensbrück zu bringen, schmissen sie Brot aus der Baracke, in der das Brotlager war. Auf dieses Brot sprangen vor allem die Ukrainerinnen und fingen dieses Brot, griffen es einander aus den Händen, am Ende fiel das Brot auf den Boden und mischte sich mit dem schwarzen Schotter und ... Als ich das sah, sprang ich hin und sagte, sie sollten sich in die Reihe stellen, sie würden alle Brot bekommen, und von da rannte ich zurück in die Kolonne. In diesem Moment zielte eine Aufseherin mit einer Pistole auf mich. Hinter mir lief noch eine Ukrainerin. Und die Aufseherin zielte auf mich, um mich zu erschießen, aber ich machte einen schnelleren Schritt, und sie erschoss diese Ukrainerin, die hinter mir ging. Als sie aber sah, dass sie mich nicht erschossen hat, traute sich aber wahrscheinlich nicht, noch einmal zu schießen, packte sie mich und verprügelte mich schrecklich.“
Dana Valic, Interview vom 25.08.2001 in Ljubljana mit Loretta Walz
„Die Polin Irena W. beschreibt diesen Ablauf folgendermaßen: alle Häftlinge des Grüneberger Außenlagers mussten am Morgen des 22.4.1945 blockweise antreten. Sämtliche Polinnen wurden nach Ravensbrück geschickt, die Russinnen und die anderen blieben vorerst noch im Lager. Sie mussten ihre Sachen mitnehmen und in Fünferreihen zum Tor hinausmarschieren. Die Fahrt mit Lastautos nach Ravensbrück dauerte etwa fünf Stunden und war äußerst strapaziös, da die Wagen so voll waren, dass die Frauen die ganze Zeit stehen mussten. In jedem Lastwagen war eine Aufseherin zur Bewachung dabei. In Ravensbrück wurden die Polinnen im bereits leeren Männerlager untergebracht und am 24.4.1945 schließlich mit den Bussen des Roten Kreuzes abtransportiert.“
Irena Wojciechowska aus Magisterarbeit von Susanne Neumayer, S. 103, Lundprotokoll-Nr.: 53 vom 13.12.1945
„Die Estinnen Ludmilla P. und Militsa L.-T. mussten demnach ebenso am 22. April 1945 zu Fuß ins einige Kilometer entfernte Löwenberg marschieren und wurden von dort mit dem Zug nach Ravensbrück zurückgebracht. Bereits am nächsten Tag wurden dort Kolonnen zusammengestellt und die Frauen wurden in Richtung Norden auf den sogenannten „Todesmarsch“ geschickt. Wer nicht gehen konnte wurde an Ort und Stelle erschossen. Als Verpflegung gab es lediglich Straßenwasser. Nach elf Tagen kaum erträglicher Qualen kamen die Häftlinge am 1.5.1945 ins mecklenburgische Lübz, wo sie durch russische Panzer befreit wurden.“
Militsa Trumees-Löhmus und Ludmilla Paavo, Schriftliche Aussage, Privatbesitz Susanne Neumayer, Magisterarbeit Seite S. 104
Quelle:
Das Außenlager des KZ Ravensbrück in Grüneberg und die Grüneberger Metallgesellschaft mbH - Ein Rüstungsstandort in der Spätphase des Zweiten Weltkrieges, Susanne Neumayer: Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades Magister Artium (M.A.) im Fach Neuere und Neueste Geschichte am Institut für Geschichtswissenschaften der Phil. Falkultät I der Humboldt-Universität: Susanne Neumayer Magisterarbeit
Namen der Deportierten
Von den vielen Häftlingen, die im Grüneberger Lager waren, sind uns nur wenige Namen und Häftlingsnummern bekannt.
Aleksandra Suiba-Rudina
Dragica Kristan-Komnenić
Halina Brückman-Charszewska
Helena Salska
Henryka Stanecka-Prus
Irena Wojciechowska
Janina Nowosielska
Janina Stepaniak
Jekatarina Iwanowna Olowjannikowa
Jozefa Konarska
Militsa Trumees-Löhmus
Olimpiada Simenko-Guerassimova
Helena Baczewska
Aniela Bodziochowa
Gertrud Brandt
Ivica Buh-Ulčnik
Janina Caban
Janusz Czeladko-Rakowicz
Stanislawa Czeladko
Franziska Dimic-Deisinger
Anna Druszkowska
Marija Grzincic
Jozefa Glavatovic
Janina Perkowska-Gołdyn
Pavla Grebenc-Dolenc
Maria Bezler
Camila Adamovicz
Janina Golaszewska
Dominika Mroczkowska
Kazimiera Rogowicka
Maria Kurzyna
Leonia Haszewka
Teofila Slesinska
Sofia Barczewska
Antonia Barczewska
Paulina Porzinska
Eugenia Kopczewska
Wladislawa Pilis
Helena Rakowicz
Stanislawa Rakowicz
Jadwiga Najecka
Stanisl Mielechowicz
Janina Rogowicka
Anna Saczewska
Eugenia Wysocka
Justi Berčič
Angela Berčič-Sosič
Mica Černigoj
Tončka Čop-Prhne
Fani Dimic Deisinger
Ela Dolar-Kogovšek
Mila Dolenc-Gradišnik
Pavla Grebenc-Dolenc
Nada Grmek
Olga Gruden
Marija Grzinčič
Marica Ilc-Kralj
Ana Ilnikar
Minka Jakopin-Černe
Slavka Kastelic
Pepka Kermavner-Glavatovič
Mara Kolbe
Matija Kovač
Marica Kumer-Jager
Micka Kranjc
Ljuba Lavrič-Rebek
Irma Lavrič
Zalka Logar Steklačič
Milka Lubej
Stana Mikoč-Aita
Julka Modic
Angela Možina-Beretič
Ivica Možina-Kristan
Albina Mohorič
Lidija Müller-Kenda
Ana Rupar
Danuta Hilkner
Františka Hroníková
Květa Hroníková
Danica (Dana) Klanšek-Valič
Maria Lasocka-Winiarska
Jadwiga Lasocka-Rojek
Marianna Lewonowska
Anastasija Lillinurm
Tatjana Lillinurm
Rozalija Logar-Steklacic
Leokadia Łyszewska
Julka Modic
Helena Nowicka
Ludmilla Kaal-Paavo
Leokadja Pawlakówna-Gunnarsson
Paulina Perzyńska
Ärztin ? Plawkaja
Henryka Prus
Genowefa Stepien
Anna Stepniak
Janina Stepaniak
Anna Sztark
Czeslawa Szybel
Stanislawa Szymanska
Ano Uusman
Stanislava Czeladko
Maria Barczewska
Halina Barczewska
Stanislawa Harkowicz
Antonia Jakowska
Janina Bielsky
Helena Wysocka
Franziska Wodolowska
Maria Pogorzelska
Janina Pogorzelska
Janina Perkowska
Honorata Perkowska
Helena Kapica
Janina Wiczorek
Helena Grabowska
Maria Sokol
Stanislawa Kwiatkowska
Stefania Slesinska
Paulina Fakulska
Pepka Murn –Slabajna
Cirila Novak-Gradiščaj
Ida Ogrinc
Milena Pavlič
Jožefa Perne
Pepca Petelin
Ivana Petras
Ana Pleško
Mimi Pezdir-Carle
Tončka Pišler
Zofka Podrepšek
Ela Plamberger-Komac
Minka Prochaska-Lizek
Milena Roglič
Pavla Sajovic
Fani Semolič-Pahor
Fani Suhar
Fanči Supan-Cvirn
Krista Supan
Mivi Supan-Šinkovec
Ivanka Snoj-Lipovšek
Marica Sterle-Merlak
Anica Stritar
Marija Tepina-Krištof
Francka Verbič
Ivanca Vičič
Dana Vrabec
Marija Vrabec
Ana Zorman
Francka Zupančič
Ana Žigic
Vlasta Rozman-Trbanc
Stand: Oktober 2022